Ich möchte ein wenig von meiner Laufbahn in Lateinamerika berichten, weil mir das Engagement für dortige Projekte sehr wichtig ist.
Nach meiner Blindenhunde-Ausbildung in Österreich lebten meine Familie und ich zwei Jahre in San Ignacio de Velasco, Bolivien. Wir arbeiteten an einem Projekt, das die Förderung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen mit Hilfe von Therapiehunden zum Ziel hatte. Der Erfolg war leider bescheiden, weil in dieser Gegend die Meinung vorherrscht, dass ein Hund nicht mehr als ein Hund ist und sich nicht für solche besonderen Aufgaben eignet. Es fehlten rundum Verständnis und Unterstützung.
Zu dieser Zeit erfuhr ich von einem Pionierprojekt, das in Brasilien von der Bundesregierung gemeinsam mit der Blindenführhundschule Helen Keller (ECGHK) durchgeführt wurde. Dieses ambitionierte Projekt, das Wissen über Blindenhunde in ganz Brasilien zu fördern und zu verbreiten, gefiel mir sehr. Ich bewarb mich als Mitarbeiterin und arbeitete drei Jahre lang als Trainerin bei der Blindenführhundschule Helen Keller in der Gemeinde Camboriú, im Bundesstaat Santa Catarina.
Diese Hundeschule wurde von der Bundesregierung beauftragt, das Wissen auf dem Gebiet des Blindenführhundetrainings systematisch per Schulungen weiterzugeben. Dazu gehört auch die partnerschaftliche Ausbildung von Blindenführhunden gemeinsam mit den sehbehinderten Personen, die vom Instituto Federal Catarinense in Camboriú übernommen wurde.
Der Grundstein des Projektes war die akademische Ausbildung von insgesamt sieben Studierenden zu Blindenführhundetrainern und -ausbildnern (anfangs als Postgraduate Studium). Die Studierenden waren Bundesbedienstete, die sich die Kenntnisse aneigneten, um sie dann ihrerseits in ihrem jeweiligen Bundesstaat an andere weiterzugeben.
Wir begannen mit einer Gruppe von achtundvierzig Welpen der Rassen Golden Retriever, Labrador Retriever und Flat Coated Retriever. Wir waren wir für die Auswahl der Züchter, die Auswahl der Welpen, Gespräche mit den Patenfamilien und deren Begleitung im Alltag zuständig, um sie bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten bei der Aufzucht der Welpen zu unterstützen. Wir trainierten die Hunde, führten Gespräche mit sehbehinderten Menschen, suchten die geeigneten Paare aus und übernahmen die individuelle Anpassung.
Während dieser Zeit war ich für das Training zweier Labrador Retriever zuständig (für die ECGHK), Durga und Havaiana, die für die Begleitung von Sehbehinderten aus der Region trainiert wurden.
Sobald die Hunde des Instituto Federal Catarinense das geeignete Alter von fünfzehn Monaten erreicht hatten, begannen wir unsere Ausbildungs-Arbeit mit ihnen – immer mit dem Ziel, das Wissen über das Training von Hunden an die Studierenden weiterzugeben.
Jeder Studierende übernahm sechs Hunde. Im Laufe des Kurses wurden einige Hunde wegen physischer Probleme oder nicht optimalen Verhaltens frühzeitig in Rente geschickt.
Gemäß Studienplan dauert die Ausbildungsphase eines Hundes vier bis sechs Monate. Nach dieser Phase beginnen die ersten Gespräche, um herauszufinden, welche Hunde zu welchen Blinden bzw. Sehbehinderten passen. Von jedem in der Ausschreibung eingetragenen Blinden und Sehbehinderten wird ein möglichst genaues Profil erstellt, um herauszufinden, für wen ein Blindenhund besonders geeignet ist und welche Charaktereigenschaften sein Hund haben sollte. Dies ist ein sehr wichtiger Prozess, in dem akribisch eine Reihe von Kriterien erfüllt werden muss, um die passenden Paare zu bilden. Die Charakteristika des trainierten Hundes sind wichtig, aber auch die Eigenschaften der Personen in der Ausschreibung. Von diesem Prozess hängt die Kompatibilität der jeweiligen Paare ab und diese Informationen werden berücksichtigt, wenn Hunde und Sehbehinderte aufeinander eingespielt werden.
Schließlich führten wir die Anpassung durch, das gemeinsame Training von Hunden und Blinden bzw. Sehbehinderten. Dieser Prozess dauert vier bis fünf Wochen und erfordert, dass sich die jeweiligen Paare für drei Wochen gemeinsam an einem Ort aufhalten (in diesem Fall im Instituto und am Wohnsitz des Hundeführers).
In den ersten drei Wochen des Anpassungsprozesses lernt der zukünftige Hundeführer, wie er mit dem Hund umgeht – wie er in gewissen Situationen und Positionen agiert, wie er Kommandos gibt etc. Er bekommt eine kurze Einführung in die Physiologie des Hundes, praktische und theoretische Unterrichtsstunden. Es werden Spaziergänge durchgeführt: im Außengelände, in Innenräumen (Shoppingcenter, Märkte, etc.), in belebten und weniger belebten Wohn- und Geschäftsgegenden sowie Nachtspaziergänge.
Das Paar entwickelt während dieser drei Wochen gegenseitigen Respekt und eine Zuneigung zueinander und spielt sich aufeinander ein.
In der vierten Woche, die am Wohnsitz der Hundeführer verbracht wird, werden die täglichen sozialen Gewohnheiten und der Berufsalltag mit dem Paar geübt, wobei vor allem die Sicherheit des Paares im Vordergrund steht. Es kann vorkommen, dass sich bei diesem Prozess eine Inkompatibilität des Paares herausstellt – in diesem Fall wird die Arbeit nicht weiter fortgesetzt.
Als ich nach Brasilien kam, hatte ich bereits Erfahrung im Training mit Hunden, und was die Anpassung betraf, hatte ich bereits meine eigene Methode entwickelt. Da die Schule, bei der ich arbeitete, sich an der International Guide Dog Federation (IGDF) orientiert, musste ich mich an deren entwickelte Methoden und Abläufe anpassen.
Am Ende der Ausbildung haben die Studierenden die Prüfungen bestanden. Sie geben noch heute das Wissen weiter und bilden Blindenhunde aus.
Dieses Projekt unterstützt die soziale Integration sehbehinderter und blinder Menschen. Für mich ist es eine einzigartige Aufgabe, die Lebensqualität dieser Menschen so entscheidend zu verbessern. Ich glaube, dass jeder Einzelne, der sich für die Sache einsetzt, viel erreichen kann.